Der funktionierende Untergang

Der Umzug ist geschafft, die neue Wohnung bezogen und die Kartons ausgepackt. Wir versuchen alles richtig zu machen und zu funktionieren. Wir versuchen uns einzureden, alles wäre gut. Das muss sein, denn sonst bleibt das Funktionieren auf der Strecke. Also funktionieren… funktionieren… funktionieren

Was hinter dem nach außen funktionierenden System passiert ist nicht sichtbar, für Außenmenschen nicht wichtig. Das Funktionieren sagt doch, alles sei gut…?! Den Preis kennt keiner, er ist nicht sichtbar, findet nur im verborgenen statt.

Es ist ein schmaler Grad zwischen funktionieren und zusammenbrechen. Etwa drei Jahre hatten wir Zeit uns innerlich auf diese Situation vorzubereiten. Alles ist darauf eingestellt alltagstauglich zu bleiben. Der Fokus ist rein darauf ausgerichtet weiter vorwärts zu kommen, Struktur aufzubauen und zu halten, Stabilität auszustrahlen und möglichst das Positive im Vordergrund zu halten und den blockierenden, schwierigen Bereichen nicht soviel Macht zu geben.

Seit einer Woche leben wir nun in der neuen Wohnung, unserem Sohn geht es sehr gut, er ist angekommen, zufrieden und ausgeglichen.
Wir sind erleichtert darüber, zumindest macht es für den Augenblick den Anschein, dass wir für ihn die richtige Entscheidung getroffen haben. Wir sind erleichtert, denn es zeigt sich, dass wir nicht falsch darin lagen unserem Sohn zu vertrauen und an seine Stärke und seinen Verstand zu glauben. Es zeigt sich, dass wir von Anfang an die Situation richtig eingeschätzt haben und das es sich gelohnt hat für ihn zu kämpfen. Nicht einfach den Aussagen und Einschätzungen der Lehrer und irgendwelcher Gutachter Glauben zu schenken, die sich weder intensiv genug mit ihm beschäftigt haben, noch beachtet haben, wo die tatsächlichen Probleme liegen, sondern einfach den für sich selbst angenehmsten Weg gewählt haben. Sie stellten fest, dass unser Sohn nicht ins System passt, nicht einfach funktioniert wie es das System fordert und versuchten ihn abzuschieben. Förderbedarf und Förderschule waren ihre Lösung. Für uns eine inakzeptable Lösung, die niemandem geholfen hätte. Förderung klingt nicht falsch aber sie hätte ausgerichtet sein müssen darauf, dass er ständig unterfordert war, darauf ihm mehr zu bieten, als sich über Monate hinweg mit denselben Aufgaben beschäftigen zu müssen. Es wäre hilfreich gewesen, hätte man ihm doch einfach einmal wirklich zugehört und sich die Zeit genommen ihn zu verstehen, dann hätte es schon längst eine gute Lösung geben können, denn er selbst hat immer wieder betont was schief läuft und was anders sein müsste. Soviel Verstand hat man ihm aber wohl nicht zugetraut. Es fehlte nicht ihm an Weitsicht, sodern den lieben Pädagogen, die nicht glauben wollten, dass er reif genug ist, um zu wissen was er sagt und was das bedeutet. Es ist traurig, wieviele Kinder aus reiner Überforderung von irgendwelchen Pädagogen (nee keine Sorge, ich behaupte nicht, alles Pädagogen wären unfähig oder überfordert)  in Schubladen landen, aus denen sie dann kaum noch eine Möglichkeit haben herauszukommen.
Umso erleichterter sind wir zu sehen, dass sich jeder einzelne Tag des Kampfes und davon gab es verdammt viele, gelohnt hat und unsere Einschätzung nicht Ursprung von Wunschvorstellungen ist.

Nun sind wir bei einem Thema angekommen, dass uns arg zu schaffen macht. Die dauernde Bestätigung eigentlich nur dann aushaltbar, okay oder liebenswert zu sein, wenn man funktioniert. Gelingt es einem nicht ist man Belastung.
Die Feststellung lässt uns allein zurück, lässt uns innerlich aufschreien, verzweifeln und resignieren. Sie lässt bei einigen den Drang zurück, sich selbst/uns zu verletzen bei anderen den Wunsch alles beenden zu dürfen. Einfach weil man weiß, man wird nie ein normales Leben führen, in dem nicht jede Handlung und Aufgabe enorme Kraft kosten wird. Man wird nie die „normalen“ Erwartungen dauerhaft erfüllen können. Man möchte nicht nur dann okay sein, wenn man es mal schafft sein Leben einigermaßen normal zu führen, erst recht nicht, wenn dieses Funktionieren nicht von uns kommt weil es geht, sondern weil es eine auferlegte Pflicht ist, um möglichst alles normal scheinen zu lassen, um niemandem unangenehm zur Last zu fallen, um nicht aufzufallen.
Immer wieder zeigt sich, dass eigentlich nur eins zählt. Unsere Anpassungsfähigkeit und Funktionalität. Damit sind wir gut, vielleicht liebenswert… vielleicht…
Ohne sind wir nichts!

Kontakt – Abbruch – Programme

Ein Abbruch steht kurz bevor oder anders formuliert, wir schaffen es nicht. Wir schaffen es nicht Kontakte zu halten. Vor allem Kontakte zu Helferpersonen.

Sobald jemand zu hilfreich wird, zuviel da ist, zuviel erfährt, zuviel tatsächlich unterstützt, landet sein Name automatisch auf der roten Liste, der zu entfernenden Personen.

Es ist schwer darüber zu schreiben, gefährlich mitzuteilen zumal uns eh bereits alles um die Ohren fliegt. Aber es ist ein Auflehnen, ein Versuch all dem entgegen zu wirken. Wir wollen SIE nicht gewinnen lassen, uns nicht von ihnen kontrollieren und steuern lassen.

Erpressungen und Drohungen haben gewirkt, es hat einige „Rückschritte“ gegeben in den vergangenen Wochen. Daraus ergeben sich weitere Probleme.

Gerade die Beziehungen zu Helfern, Vertrauten, Freunden, Therapeutin sind so wichtig für uns. Sie sind das was uns einen Anker in der „normalen“ Welt bietet, das woran wir uns festhalten können, wenn unsere Welt nur noch dunkel und ohne leben ist, wenn bei uns nur noch Verzweiflung, Angst und Hilflosigkeit walten.

Genau deshalb sind sie unseren Tätern/der RiGaG ein Dorn im Auge. Ohne diese Beziehungen, ohne den Halt in der „normalen“ Welt, ohne den Glauben daran das es ein anderes Leben gibt, ohne die Hoffnung auf Änderung/Besserung, ohne all das funktionieren wir doch so viel besser!

Wir verschleißen einen Helfer nach dem nächsten, einen Freund nach dem anderen, weil wir nicht in der Lage sind, diese Beziehungen aufrecht zu erhalten.

Eine Freundin hat uns vor zwei Jahren an wichtigen RiGaG-Feiertagen geschützt, war bei uns, war da und hat geholfen selbst da zu bleiben. Danach bzw. seit dem können wir kaum noch mit ihr sprechen. Manchmal gehen zwischendurch Kleinigkeiten, manchmal nicht einmal oberflächliches Geplenkel weil keine Kommunikation erlaubt ist.

Ende vergangenen Jahres hat wieder eine Freundin viel Zeit bei und mit uns verbracht, hat geholfen eine sehr schwere Entscheidung durchzustehen, geholfen den Glauben nicht zu verlieren. Seit dem kann auch zu ihr kein Kontakt mehr gehalten werden, nicht mehr gesprochen werden, sich nicht mehr ausgetauscht werden.

Und nun trifft es die nächsten zwei so wichtigen Kontakte. Versuchen wir dennoch Kontakt aufzunehmen, strecken uns heftigste Schmerzen über Stunden nieder, geraten wir in einen innerlichen Strudel, in eine Abwärtsspirale und der Sog ins dunkle Nichts reißt uns mit. Die Todesangst und Panik steigt ins Unermessliche und vor lauter abstürzen ist dann gar kein Kontakt mehr möglich, womit das Ziel dann ebenfalls erreicht wäre.

Wir kämpfen dagegen an, versuchen die Schmerzen, den Schlafentzug, den Essensentzug, den Suiziddrang, den Selbstverletzungsdruck auszuhalten, versuchen dennoch irgendwie weiter an diesen Kontakten festzuhalten, wollen sie nicht verlieren, nicht aufgeben, nicht allein sein, nicht haltlos durch die Gegend wanken. Wir kämpfen Stundenlang um eine SMS oder Mail zu schreiben und ertragen davor und danach die Strafe, den Schmerz, die Panik, das Chaos. Und wir haben Angst, wirklich Angst auch diese Kontakte wieder zu zerstören, auch diesen Halt wieder zu verlieren, auch diese Menschen wieder aus unserem Leben zu verbannen.

Und eigentlich, eigentlich sind wir nur noch traurig und erschlagen. Dieses ständige Kämpfen, dieses ständige aushalten müssen, dieses ständige eigentlich nicht mehr können. Wir sind müde und wissen das wir uns das überhaupt nicht erlauben dürfen. Das wir nicht aufgeben dürfen, dass die RiGaG diesen enormen Druck nur ausübt, weil wir nicht mehr einwandfrei funktionieren, weil sie sich Sorgen machen.

Wir wissen das wir an diesem Punkt nicht erneut einbrechen dürfen!!!

Wir fühlen uns nur noch klein, hilflos, ausgeliefert und müssen aber groß und stark sein, kämpfen und aushalten!

Wir fühlen uns miserabel

Wir machen gerade so etwas in Richtung Beschäftigungstherapie mit bisher mäßigem Erfolg. Aber dazu müsste man es vielleicht auch länger machen und nicht nur zwei Tage und Nächte? Seit dem gönnen wir uns keine ruhe mehr. Es wurde geputzt, Möbel wurden gerückt, Marmelade gekocht, gebastelt, Katzen gebürstet.

Wir rennen und rennen und rennen. Ruhiger wird es dennoch nicht

Es fällt uns so schwer den Glauben nicht zu verlieren, nicht „einfach“ das Handtuch zu schmeißen und uns alles egal sein zu lassen.

Wir fühlen uns miserabel.

Wir verstehen nicht warum es Menschen gibt die uns mögen, die sich für uns einsetzen, uns helfen und womöglich noch wirklich an uns glauben. Wir verstehen nicht warum sie trotz ständiger Enttäuschungen bleiben und nicht selbst einfach das Handtuch schmeißen. Es wäre so viel leichter!
Und häufig um das überhaupt aushalten zu können, beruhigen wir uns indem wir uns immer wieder sagen, dass sie uns einfach überschätzen. Immer wieder lassen wir uns dieses Schlupfloch sagen zu können, man würde uns nur noch nicht genug kennen, sonst würde man auf dem schnellsten Wege zusehen das man Abstand gewinnt.

Die Aktion der Therapeutin unseres Sohnes stürzt uns mehr ins Chaos als wir uns selbst eingestehen wollten.
Es sind wahnsinnige Ängste damit verknüpft und die Drohungen unserer Täter, uns unser Kind zu nehmen, in Verbindung mit dem Wissen darüber wie da wiederum die Verbindungen im Hintergrund sind, tun ihr übriges.
Es schleudert uns gefühlt meilenweit zurück. Treibt uns in Verhaltensweisen zurück, von denen wir dachten, wir hätten sie hinter uns.
Wir wollen nicht denken, wir wollen nicht mitbekommen, wir können nicht aushalten zu fühlen!

Es macht uns traurig uns selbst bei diesem andauernden Überlebenskampf zuzusehen. Wir sind traurig darüber ständig nur damit beschäftigt zu sein irgendwie weiter zu leben. Wir hangeln uns von Termin zu Termin mit Helferpersonen und versprechen uns dann immer wieder bis zum nächsten Termin auszuhalten. Nur bis zum nächsten Termin und dann entscheiden wir neu.

Seit einigen Jahren gibt es in diesem Haushalt keine Rasierklingen mehr, da wurde peinlichst genau drauf geachtet. Immer wieder wurde gezielt danach gesucht um sie in Fall des Falles entsorgen zu können. Sind sie da nutzt man sie auch schneller.

Beim letzten Mal als sich geschnitten wurde, war das sicher einer der Gründe, weshalb wir dazwischen kamen und es sich in einem oberflächlichen schnibbeln bewegte. Ihr würdet lachen, würde ich euch erzählen, wie viele Messer probiert wurden und wieder zurück gelegt wurden, weil sie zu stumpf waren um sich damit anständig verletzen zu können. Bis man dann irgendwann auf eine altbekannte, schlechte Lösung des Problems kam, verging einiges an Zeit.

Derzeit können wir nur in wenigen Momenten überhaupt einkaufen gehen. Nicht nur, weil wir gerade überhaupt nicht mit Geld umgehen können, keiner weiß wohin und wofür es verschwindet und man sowieso nicht das kauft war man wollte oder braucht, sondern hauptsächlich weil wir es nicht schaffen an den Klingen vorbei zu gehen. Weil wir sofort die Bilder davon vor Augen haben was wir mit uns machen wollen/müssen/würden. Und weil wir sofort wissen, dass wir es tun, wäre die Gelegenheit da.

Und unsere Angst unsere Helfer und Freunde zu sehr zu belasten ist so groß. Die Angst zuviel zu bekommen, der Gedanke, es stehe einem nicht zu und sie würden ihre Energie und Zeit in die falsche Person investieren. Die Strafe wird kommen… irgendwann…

Wir haben doch gar nichts dafür getan und was sollten wir auch tun. Wir sind ja gar nicht mehr in der Lage wirklich etwas zu tun, dafür reicht die Energie längst nicht mehr. Gut wir könnten in altbekannten, gut erlernter Manier sexuelle Dienste anbieten, zu Dienst stehen für egal was man von uns möchte, kein Problem, das können wir, darin sind wir gut, da wissen wir was wir können.

Warum wissen wir es da aber bei all den anderen Dingen, wo es so nötig wäre, fehlt uns jegliches Selbstvertrauen. Selten wirken wir so. Eher noch wirken wir häufig selbstbewusst, manchmal ein bisschen arrogant, manchmal etwas überheblich aber auf jeden Fall nicht wie jemand der sich selbst nichts zutraut (ausser vielleicht das zu tun was andere verlangen).

Morgen/Heute bzw in ein paar wenigen Stunden ist ein Termin bei der Therapeutin unseres Sohnes. Es sollte ein Termin für ihn sein, allerdings haben wir entschieden ohne ihn hin zu gehen. Wir möchten nochmal ein klärendes Gespräch mit ihr, ohne den Druck im Rücken das unser Sohn im Wartezimmer hockt und sich langweilt, ohne Rücksicht auf ihn nehmen zu müssen.
Das Gespräch wird nicht mehr viel ändern können aber wir möchten zumindest besprechen können, wie es weitergeht und außerdem erhoffen wir uns vielleicht noch den ein oder anderen Hinweis, was sie antreibt.

Nach langem ist es wieder passier

Fast hätten wir es vergessen, wie es sich anfühlt, wenn wir uns selbst schneiden, fast.

Die Erinnerung wurde aufgefrischt und ist enttäuschend. Wir haben es zu schnell mitbekommen, sind zu schnell dazwischen gekommen und haben es unterbrochen.

Und jetzt? Niemand hat sein Ziel erreicht. Druckabbau hat nicht stattgefunden, dafür war es viel zu wenig, viel zu oberflächlich, zu wenig Blut, zu wenig Schmerz.

Hinzu kommt jetzt noch die steigende Wut aufeinander. Der Selbsthass, weil wir nicht schnell genug dazwischen gekommen sind um es ganz zu verhindern, die Angst vor Strafe, die Scham, …

Dementsprechend wurde kein Druckabbau erreicht sondern das Gegenteil.

Noch mehr als vorher möchten wir einfach nur noch weg sein.

Und wieder einmal ist es mitten in der Nacht. Da ruft man niemanden mehr an, viel zu spät. Und selbst wenn, was soll man dann sagen? Viel zu groß die Scham es schon wieder nicht allein zu schaffen.

Wir dürften Menschen anrufen, sie haben uns die Erlaubnis gegeben. Nicht nur das, sie haben sogar darum gebeten. Sie haben darum gebeten, dass wir uns melden bevor etwas passiert. Jetzt ist es also bereits zu spät, es ist schon was passiert. Nichts schlimmes und doch schlimm genug um uns selbst in die nächste Krise zu stürzen bzw auf die Krise noch einen obendrauf zu setzen.

Hätten wir es zulassen sollen das tief geschnitten wird, mehr geschnitten wird? Hätten wir dann jetzt etwas Ruhe?

 

Kein Ende in Sicht *trigger*

Es wird um Selbstverletzung gehen und kann triggern. Deshalb eine kurze Warnung an alle und die Bitte, auf sich zu achten beim Lesen.

Wir sind wirklich frustriert. Der Drang und Druck uns schneiden zu müssen wird nicht weniger, nicht erträglicher, nicht wegwischbar. Im Gegenteil, es potenziert sich immer mehr. Unser Widerstand wird immer geringer und inzwischen fragen wir uns ob wir es nicht einfach zulassen sollen. Vielleicht haben wir noch die Chance es im Rahmen zu halten, kontrolliert zu schneiden sozusagen. Wir haben sorge das es uns nicht mehr möglich ist, wenn der Druck noch weiter in die Höhe steigt und derzeit sieht es danach absolut aus.

Uns fehlt der Punkt an dem wir ansetzen könnten, die Idee woher dieser enorme Drang kommt, von wem er ausgeht und vor allem warum? Was ist los, dass es so schlimm ist?

Sechs Jahre lang haben wir geschafft. Nicht ohne Selbstverletzung aber es gibt Alternativen, die keine sichtbaren Narben hinterlassen. Diese Alternativen haben in den letzten Jahren ausgereicht. Gut, ganz ohne haben wir es die sechs Jahre nicht geschafft aber es waren Ausnahmen, wenige Ausnahmen, man wird sie wahrscheinlich an einer Hand abzählen können und diese Ausnahmen ließen sich reparieren ohne genäht werden zu müssen, es ging alles mit kleben und Stripes und es waren wirkliche Ausnahmesituationen in denen wir bewusst uns für das Schneiden entschieden haben, es war besser als das Leben ganz zu beenden und somit in den Momenten die einzig uns mögliche Alternative. Sozusagen Versuche, das sich selbst Umbringen, erstmal mit „verdientem“ Schmerz zu überbrücken. Dafür reichten kleinere Verletzungen um wieder auf den Boden zu kommen.

Diesmal fühlt es sich anders an und das macht uns Angst. Man will nicht ein bisschen ritzen, man will tief schneiden, man will es richtig blutig haben, will nicht aufhören müssen sondern immer immer weiter machen bis es irgendwann vorbei ist oder man keine Kraft mehr hat um weiter zu schneiden. Es reichen nicht drei vier oberflächliche kleine Schnittwunden.

Über den Tag hinweg haben wir uns sozusagen wieder bebabysitten lassen, waren nicht alleine, haben versucht uns abzulenken aber das alles war nur ein aufschieben, es hat nichts verändert. Der Druck ist nicht weniger geworden, wie wir gehofft haben, schlauer geworden sind wir auch nicht und das Ergebnis ist, dass wir nun hier sitzen, nach jedem Strohhalm angeln der uns möglich scheint und versuchen aufzuschieben, darauf zu hoffen, dass es aufhört, dass es nicht sein muss, dass wir es schaffen. Aber es wird nicht leichter, es wird nicht besser, es wird schwieriger. Von Minute zu Minute steigt der Drang und ich hätte schon vor Stunden, hätte ich den Druck mit einer Skala von 1-10 benennen müssen, eine 10 angegeben. Weil schon da das Gefühl war gar nicht mehr anders zu können.

Wir versuchen ins Hirn zu hämmern, dass wir uns jetzt nicht verletzen dürfen. Begründen es damit, dass der Kleine schläft und wir nicht in die Chirurgie fahren können zum Nähen. Oder damit, dass er die Verletzungen nicht sehen darf oder damit, dass man nicht die Bemühungen die andere in uns stecken enttäuschen darf. Auch damit, das es nicht sein muss, weil es nichts besser macht. Wir wissen das es das nicht macht. Wir wissen auch das es wieder andere Probleme mit sich bringt, Ärger den man nicht haben möchte, Diskussionen für die man gar keine Kraft hat.

Auch das hilft nicht. Es hilft einfach nichts! Und es macht uns wahnsinnig, nicht in der Lage zu sein, diesen Zustand zu beenden, nicht stark genug es einfach zu lassen oder was auch immer. Diese scheiß Unfähigkeit mit unserm Leben klar zu kommen!

Es macht nichts besser aber es nimmt diesen enormen Druck der nicht mehr erträglich, nicht mehr auszuhalten ist. Wir sehnen uns nach der Erleichterung, von der wir wissen das sie eintritt, sobald das erste Blut fließt!

Es hätte doch ein guter Tag werden sollen!

Wir haben uns wirklich vorgenommen, dass es uns besser geht. Das wir einfach wieder versuchen zu leben, nicht nur rumkrebsen und jammern.

Es reicht aber nicht, reicht nicht es nur zu wollen, einfach dem negativen kein Gehör mehr zu geben, es brüllt viel zu laut, lässt nicht los und nutzt jede sich bietende Gelegenheit um uns in die Knie zu zwingen. Bei einem so instabilen Gerüst, wie wir es derzeit haben, ist das relativ leicht. Kleinigkeiten genügen.

Nachdem die vergangene Nacht wieder relativ schlaflos vorüberging, heißt eine knappe Stunde haben wir tatsächlich geschlafen, haben wir uns heut früh versucht gut gelaunt in den Tag zu stürzen. Erstmal den Zwerg wach gekuschelt (schöner kann ein Tag nicht anfangen) und danach ab in die Küche, Kaffee kochen für die Liebste, Essen bereiten für den Zwerg, die Katzentiere mit Futter versorgen und dabei ein bisschen vor sich hinträllern. Und dann die Frage aus dem Bad: „Alles klar bei dir? Was seid ihr so gut drauf? Alles in Ordnung?“
Öhm ja. Nö, in Ordnung?! Nee aber wir wolltens halt mal versuchen. Aufgehört zu trällern, Kind in die Schule geschickt, die Liebste zur Arbeit, allein sein. Gut! Sehr gut! Nix mehr mit trällern, nix mehr mit gut gelaunt anfangen, war was falsch? Haben wir gestört? Hätten wir einfach nur ruhig unsere Arbeit verrichten sollen? Natürlich nicht aber soweit konnten wir dann schon gar nicht mehr denken. Rückzug, nicht auffallen, leise sein, nicht auffallen, funktionieren, nicht auffallen, Mund halten, nicht auffallen, keinen Raum einnehmen, nicht auffallen, nicht zuviel sein, nicht auffallen!!! ARGH

Wir waren falsch, was falsches gemacht, falsch benommen, rücksichtslos, egoistisch, zu laut, zu fröhlich, zu ALLES!
(Natürlich waren wir das eigentlich nicht aber hey, warum nicht selbst das Leben schwer machen?)

Die nächsten Stunden weggedisst, verkriechen, wegwollen, einfach nicht sein müssen, Zeit ist nur noch Nebensache, nicht mehr wahrgenommen. Verletzen wollen, bestrafen wollen, schneiden wollen. So schlimm derzeit, der Drang sich zu schneiden, das Bedürfnis das Blut über die Arme laufen zu sehen, zu sehen, dass mans wieder in Ordnung gebracht hat. Unglaubliche Angst diese Grenze wieder zu überschreiten. Lang waren wir dem nicht mehr so nah, in den lezten Jahren gab es nur wenige Ausnahmen. Und jetzt, wir sehnen uns danach, sehnen uns nach dem Schneiden, dem Blut. Die Angst es nicht wieder lassen zu können hält uns (noch) ab. Wie lang wird sie ausreichen um es nicht zu tun? Wie lang schaffen wir es dem Drang zu widerstehen?

Anruf vom Zwerg nach der Schule holte uns zurück. Umschalten, Mama sein, da sein, Kind versorgen, Essen, spielen, Hausaufgaben. Funktionieren!!! Durchhalten!!! Aushalten!!! Zusammenreißen!!!

Der Nachmittag wurde damit verbracht den Haushalt in Ordnung zu bringen, die Kids (inzwischen war ein Freund vom Zwerg da) im Zaum zu halten und immer mal wieder im Bad zu verschwinden um durchatmen zu können, ausagieren, neu sortieren, weiter funktionieren.

Und um den Tag noch ordentlich abzurunden, am späten Nachmittag mit der Liebsten diskutiert, über Schwachsinn, einfach nur weil eh schon alles unsicher war, man nur noch alles falsch machen konnte (aus der eigenen Sicht), alles persönlich genommen hat und überhaupt. Manchmal soll es einfach nicht sein.

Kontakt mit anderen Menschen ist so schwer gerade, nicht einmal Smaltalk gelingt uns wirklich. Die Sehnsucht nach Nähe und nicht allein sein ist so groß und dennoch geht nichts anderes, nicht einmal zu der Liebsten können wir gehen und uns einkuscheln. Nicht weil es nicht gehen würde, wir können nicht, total gesperrt. Normalerweise können wir schlafen, wenn wir in ihren Armen liegen, wissen das sie da ist, auf uns aufpasst. Seit einiger Zeit geht auch das nicht mehr, getrennte Zimmer sind nötig, warum weiß keiner, wir nehmen uns selbst das was uns gut tut.

Morgen steht uns ein Termin beim Zahnarzt bevor. Die Panik steigt immer mehr an. Wir werden nicht allein gehen müssen, was wohl auch nicht schaffbar wäre, aber wir müssen gehen. Am liebsten würden wir einfach nur verschwinden, nicht da sein, nicht auf diesen Stuhl müssen. Angst!!!

Ach ja, dann kam heut noch das Buch an, von dem wir hier schon geschrieben haben. Nachdem wir es nun erstmal selbst angeschaut haben, haben wir entschieden es unserem Sohn nicht zu geben. Es passt nicht richtig. Also werde wir selbst schreiben, vielleicht ein paar Ansätze und Ideen übernehmen ansonsten aber selber machen. Ist am Ende sicherlich einfach passender. Da können wir es so schreiben und anpassen, dass die uns wichtig scheinenden Dinge vertreten sind und sie auf unsere Situation passen. Manchmal sollte man vielleicht auf die Empfehlungen hören und es direkt selber machen 😉 Wenn man aber natürlich immer davon überzeugt ist, sich eh nicht ausdrücken zu können, es eh nicht so hinzukriegen wie man es gern hätte, ist es schwer einen Anfang zu finden. Egal, wir versuchen den Leuten die uns gegenteiliges immer wieder bestätigen zu glauben und versuchen es. Damit wäre dann schon mal ein Projekt für die nächsten Tage geschaffen.

Diese scheiß Zeitschrift und der Brief unserer Mutter hätte heut auch nicht sein müssen! Wirklich nicht, es ging uns auch ohne schon blöd genug. Immer wieder neue Dinge, mit denen man nicht rechnet, auf die man nicht vorbereitet ist. Ne ne, einfallslos sind sie nicht, das muss man ihnen ja wirklich lassen!

Nicht lieben…

Diese Gedicht wurde vor einigen Jahren geschrieben.
Es ist aber vom Gefühl her immer wieder aktuell.

 

Die Augen so traurig und leer,

ständig den Gedanken “ Ich will nicht mehr!“.

Die Arme voll von Wunden und Narben,

alle von vergangenen Tagen.

Die Gedanken so oft beim Tod

und keiner erkennt, sie ist in Not!

Nur keine Gefühle zeigen.

Keiner merkt es, doch sie ist am Leiden!

Jeden Tag und jede Nacht

und sie hat es wieder gemacht.

Denn ein Gefühl kann sie nicht besiegen:

Den Hass gegen den eigenen Körper!

Sie kann sich nicht lieben…