Sport tut gut weh

Wir sind etwas still momentan. Zum einen liegt es daran, dass wir seit dem Umzug noch kein Internet haben (mit der unzulänglichen Kundenbetreuung bestimmter Internetanbieter könnten wir Bücher füllen), zum anderen daran, dass uns dieses Leben eine Menge abverlangt derzeit und wir kaum die Kraft aufbringen auch noch darüber zu schreiben. Die Feiertage machen uns arg zu schaffen, in einigen Tagen ist der Geburtstag, verbunden mit anderen wichtigen Tagen. Der Druck ist einfach enorm hoch.
Die Psyche spielt verrückt und einige von uns hat es, man hofft nur kurzzeitig, in eine Art Bewustlosigkeit befördert.

Anderes, wohl gutes und eigentlich Inhalt sollte sein, der Sport. Seit dem Umzug wird wieder aktiv Handball gespielt. Die Kondition ist besser als erwartet und auch sonst kommt man gut wieder rein. An zwei Spielen wurde bereits wieder teilgenommen, mit steigender Spielzeit. Nur über die Position wird noch mit dem Trainer verhandelt. Er hätte mich gern auf einer Außenposition wegen meiner Schnelligkeit, dem  guten Wurf und der schnellen  Reaktion. Ich möchte wieder auf einer Halbposition spielen, das liegt mir mehr und da fühl ich mich sicher. All die Jahre in denen ich gespielt habe war das immer meine Position.
Mein Trainer versucht mich zu überzeugen indem er mich immer wieder nach Außen stellt und jedes Tor mit “ und sojemand möchte nicht außen spielen“ und ähnlichem kommentiert. Jetzt liegt es an mir ihm zu beweisen, dass ich auf der Halbposition noch mehr erreiche. Eine andere Damenmannschaft des gleichen Vereins hätte mich auch gern als Spielerin, dort gucke ich mir die Aufstiegsspiele an und entscheide dann. Bei beiden Mannschaften fühle ich mich echt wohl. Es ist verrückt das sie überhaupt wollen das ich für sie spiele. Nachdem ich so lang aussetzen musste ist meine Leistung noch weit von meiner möglichen Leistung entfernt und trotzdem. Bis zum nächsten Saisonanfang kann ich mich wieder fit machen und dann entscheiden für wen ich spielen möchte. Bis dahin lass ich die Trainer sich noch streiten 😉

Das Training ist insgesamt bestimmt gut aber der Körper macht nicht so gut mit. Während dem Training oder den Spielen scheint er kein Problem darzustellen. Danach dafür um so mehr. Wir können nicht mehr unterscheiden woher welcher Schmerz kommt, ob er real ist oder nur Erinnerung. Der Körper schmerzt überall, jeder Schritt ist eine Qual und kein Ausweg ist in Sicht. Die wenigen bekannten, helfenden Mittel haben wir aus finanziellen und verschreibungspflichtigen Gründen grad nicht Daheim. Das bedeutet aushalten… aushalten… irgendwie aushalten.

Das Leben wirkt unecht und fremd auf uns. Ohne Anker, ohne Halt im ständigen Strudel und Überlebenskampf zeigt uns der Körper seine Grenzen. Scheiß Schmerzen! Wir können nicht mehr!

Ein Wochenende zum entspannen oder so ähnlich…

Dieses nicht richtig da sein, ständig versinken, keine Kontrolle haben, verschwommen oder gar nicht wahrnehmen, kaum sprechen können der letzten Tage usw. hat etwas nachgelassen. So richtig „da“ sind wir noch immer nicht aber auch nicht mehr dauernd gefangen im Delirium.

Dafür haben wir uns eine Gehirnerschütterung zugezogen. Nicht besser, halt anders. Jede Kopfbewegung oder überhaupt Bewegung ist eine zuviel, da uns zusätzlich auch noch alles andere weh tut.

Eigentlich hätte unser Sohn dieses Wochenende bei seinem Vater verbringen sollen. Das zweite Mal wäre es gewesen, dass er dort hätte übernachten dürfen und diesmal zwei Nächte.

Und, als hätten wir es gewusst haben wir schon am Tag vor seiner Absage zu unserer Partnerin gesagt, dass es nichts wird.

Die Enttäuschung beim Zwerg war wieder groß und unsere auch. Nicht weil wir nicht damit gerechnet hätten aber weil wir gehofft haben. Es ist für unseren Sohn einfach so wichtig, was wir wirklich gut verstehen und löst soviel Angst aus, wenn es nicht klappt. Gerne würden wir ihm diese Erfahrungen ersparen aber das liegt leider nicht in unseren Händen und unseren Möglichkeiten.
Wir hätten diese zwei freien Tage auch gut gebrauchen können. Einfach mal durchatmen können und sich keine Sorgen und Gedanken machen müssen, wie man es schafft, dem Kind gerecht zu werden. Zwei Tage unseren Zustand egal sein lassen und nicht im Bedrängnis kommen, weil wir uns im schwarz verlieren.

Jetzt mit der Gehirnerschütterung, die war ja nicht eingeplant, hätte es auch hilfreich sein können, wenn man einfach wirklich liegen bleiben könnte und nicht immer wieder aufstehen müsste, um kindertechnisch was zu erledigen.

Weils ja auch so super gut ist, wenn man möglichst wenig schläft, dass Wetter und Alkohol scheinen ihr übriges zu tun, wurden wir heut Nacht erneut unsanft aus dem Schlaf gerissen.
Um kurz vor vier haben wir endlich den Dreh bekommen und konnten einschlafen. Kurz nach vier hatte es sich bereits wieder erledigt. Hilfeschreie, männliches sich gegenseitig anpöbeln, weibliches hysterisches Kreischen, rumgerenne.

Anhand der Wortfetzen die man mitbekam, konnte erkannt werden, dass es unsere polnischen Nachbarn waren und es um familiäre Streitigkeiten ging, angeheiratete Familie, wo der eine mit dem andern und das obwohl er doch eigentlich mit jemand anders verheiratet ist und, ach egal.
Also Handy geschnappt, möglichst vorsichtig und schnell in die Senkrechte begeben und vom Balkon geschaut, ob Polizei benötigt wird oder es sich auf verbale Streitigkeiten beschränkt. Leider tat es das nicht, woraufhin wir die Polizei benachrichtigten und direkt im Anschluss auf den Balkon gingen, um dem sich prügelndem Getümmel mitzuteilen, dass sie nun aufhören könnten, da die Polizei bereits informiert ist und wir doch bitte einfach schlafen möchten. Naja, es hat sie zumindest kurzfristig abgelenkt und irritiert und als sie sich von dem Schreck, dass wir uns eingemischt haben, erholt hatten und wieder aufeinander losgehen wollten, bog gerade die Polizei um die Ecke und fing direkt an das Knäul zu entwirren.
Nach und nach rückte Verstärkung an, bis sie es nach einer dreiviertel Stunde, mit vier Streifenwagen, geschafft haben, die Situation zu beruhigen und einige der Beteiligten mit den Wagen auf die Wache zu begleiten.

Danach war dann an schlafen erstmal nicht mehr zu denken.

Auch wenn wir den Winter nicht mögen, so hat er doch seine Vorzüge. Schätzungsweise, gezählt haben wir es noch nicht, ist die Zahl der Polizeieinsätze im Sommer mindestens doppelt, wenn nicht sogar dreimal so hoch.
In dieser Woche haben wir nun drei Einsätze mitbekommen und wahrscheinlich sind noch mindestens zwei an uns unbemerkt vorbei gezogen.

Schade, dass gerade der Sommer mit all seinen schönen Seiten gleichzeitig für viele Saufgelage genutzt wird, in denen soviele ihre Grenzen nicht kennen und sich und anderen damit die Tage erschweren.

Nachtgefesseltes

Stechen von Nadeln an/in Füßen und Händen.
Körpererinnerungen die wieder all unsere Kraft fordern durchzuhalten!

Es sticht, als würde man uns gerade in diesem Moment Nadeln unter die Nägel schieben, ein stechender Schmerz der durch die Glieder geht, den Körper zusammenzucken lässt.

Unkontrolliert dem Schmerz ausgeliefert!

Schlafen unmöglich…

Ablenkung unmöglich, weils komplett greift. Da können wir uns hundert mal sagen das real keine Nadeln in uns stecken oder gesteckt werden, das wir real in unserem Wohnzimmer sitzen und allein sind. In Folge dessen niemand da der uns das gerade zufügen könnte.

Tiefste Nacht, alles schläft und die Zeit, die mir sonst so gern entgleitet ist zäh und klebrig und hängt an mir, lässt mich nicht los, fesselt mich in meiner Hilflosigkeit. Wie Fesseln legt sie sich um meine Hand- und Fußgelenke, schneidet immer tiefer ins Fleisch und lässt mich hängen… hängen bis ich nachgebe, Schwäche zeige, ein leichtes Opfer bin, aufgebe.
Zwischendurch nochmal ein hysterisches Aufbäumen, nach Hilfe schreiende Augen blicken ins Leere, sehnen sich nach Frieden, Ruhe, Schlaf…

Kontakt – Abbruch – Programme

Ein Abbruch steht kurz bevor oder anders formuliert, wir schaffen es nicht. Wir schaffen es nicht Kontakte zu halten. Vor allem Kontakte zu Helferpersonen.

Sobald jemand zu hilfreich wird, zuviel da ist, zuviel erfährt, zuviel tatsächlich unterstützt, landet sein Name automatisch auf der roten Liste, der zu entfernenden Personen.

Es ist schwer darüber zu schreiben, gefährlich mitzuteilen zumal uns eh bereits alles um die Ohren fliegt. Aber es ist ein Auflehnen, ein Versuch all dem entgegen zu wirken. Wir wollen SIE nicht gewinnen lassen, uns nicht von ihnen kontrollieren und steuern lassen.

Erpressungen und Drohungen haben gewirkt, es hat einige „Rückschritte“ gegeben in den vergangenen Wochen. Daraus ergeben sich weitere Probleme.

Gerade die Beziehungen zu Helfern, Vertrauten, Freunden, Therapeutin sind so wichtig für uns. Sie sind das was uns einen Anker in der „normalen“ Welt bietet, das woran wir uns festhalten können, wenn unsere Welt nur noch dunkel und ohne leben ist, wenn bei uns nur noch Verzweiflung, Angst und Hilflosigkeit walten.

Genau deshalb sind sie unseren Tätern/der RiGaG ein Dorn im Auge. Ohne diese Beziehungen, ohne den Halt in der „normalen“ Welt, ohne den Glauben daran das es ein anderes Leben gibt, ohne die Hoffnung auf Änderung/Besserung, ohne all das funktionieren wir doch so viel besser!

Wir verschleißen einen Helfer nach dem nächsten, einen Freund nach dem anderen, weil wir nicht in der Lage sind, diese Beziehungen aufrecht zu erhalten.

Eine Freundin hat uns vor zwei Jahren an wichtigen RiGaG-Feiertagen geschützt, war bei uns, war da und hat geholfen selbst da zu bleiben. Danach bzw. seit dem können wir kaum noch mit ihr sprechen. Manchmal gehen zwischendurch Kleinigkeiten, manchmal nicht einmal oberflächliches Geplenkel weil keine Kommunikation erlaubt ist.

Ende vergangenen Jahres hat wieder eine Freundin viel Zeit bei und mit uns verbracht, hat geholfen eine sehr schwere Entscheidung durchzustehen, geholfen den Glauben nicht zu verlieren. Seit dem kann auch zu ihr kein Kontakt mehr gehalten werden, nicht mehr gesprochen werden, sich nicht mehr ausgetauscht werden.

Und nun trifft es die nächsten zwei so wichtigen Kontakte. Versuchen wir dennoch Kontakt aufzunehmen, strecken uns heftigste Schmerzen über Stunden nieder, geraten wir in einen innerlichen Strudel, in eine Abwärtsspirale und der Sog ins dunkle Nichts reißt uns mit. Die Todesangst und Panik steigt ins Unermessliche und vor lauter abstürzen ist dann gar kein Kontakt mehr möglich, womit das Ziel dann ebenfalls erreicht wäre.

Wir kämpfen dagegen an, versuchen die Schmerzen, den Schlafentzug, den Essensentzug, den Suiziddrang, den Selbstverletzungsdruck auszuhalten, versuchen dennoch irgendwie weiter an diesen Kontakten festzuhalten, wollen sie nicht verlieren, nicht aufgeben, nicht allein sein, nicht haltlos durch die Gegend wanken. Wir kämpfen Stundenlang um eine SMS oder Mail zu schreiben und ertragen davor und danach die Strafe, den Schmerz, die Panik, das Chaos. Und wir haben Angst, wirklich Angst auch diese Kontakte wieder zu zerstören, auch diesen Halt wieder zu verlieren, auch diese Menschen wieder aus unserem Leben zu verbannen.

Und eigentlich, eigentlich sind wir nur noch traurig und erschlagen. Dieses ständige Kämpfen, dieses ständige aushalten müssen, dieses ständige eigentlich nicht mehr können. Wir sind müde und wissen das wir uns das überhaupt nicht erlauben dürfen. Das wir nicht aufgeben dürfen, dass die RiGaG diesen enormen Druck nur ausübt, weil wir nicht mehr einwandfrei funktionieren, weil sie sich Sorgen machen.

Wir wissen das wir an diesem Punkt nicht erneut einbrechen dürfen!!!

Wir fühlen uns nur noch klein, hilflos, ausgeliefert und müssen aber groß und stark sein, kämpfen und aushalten!

Etwas anderes erleben und abschalten

Das sollte also der so lang ersehnte, schöne, freie Abend mit unserer Partnerin werden.

Nach Jahren, ja wirklich, wahrscheinlich so irgendwas zwischen drei und vier Jahren, haben wir endlich, endlich, ENDLICH mal wieder Zeit gehabt miteinander auszugehen.

Alles war wunderbar organisiert, unsere Partnerin hat sich frei genommen, sonst arbeitet sie sieben Tage in der Woche. Also heute endlich mal frei und jemanden zu dem wir unseren Sohn bringen konnten. Die besten Voraussetzungen für einen schönen Paarabend, Erwachsenenabend, Ausgehabend. Es ist schon etwas anderes, wenn sonst immer das Kind dabei ist, da ist man als Paar nicht da oder zumindest anders da. Da ist man Familie, nicht Paar. Die Beziehung verschiebt sich dann. Es sollte also mal wieder anders sein, nur Zeit für uns zwei.

Geplant hatten wir zuerst Kino und danach mal schauen, vielleicht etwas Essen gehen oder einen Cocktail trinken. Halt irgendwas schönes was man sonst nicht macht.

Wir haben uns wirklich riesig gefreut. Ablenkung, einen Abend aussteigen, einen Abend nicht nachdenken müssen, nicht vor irgendwas fliehen müssen, sich nicht verstecken oder verkriechen müssen, keine Pläne schmieden müssen, wie man es schafft Zuhause zu bleiben. Nichts davon, einfach einen ruhigen schönen Abend zu zweit!

Der Tag began anders als geplant. Wir hatten große Schwierigkeiten am Morgen überhaupt  aufzustehen, überhaupt irgendwas zu realisieren, weggedriftet, abgedriftet, im Nebel versunken. Sämtliche Verbindungen in die Realität verloren.

Der innere Kampf began. Aufstehen, irgendwie durch den Nebel nach vorne kommen, Platz im Körper einnehmen, durch diese undurchlässige Masse drängen, quetschen, ziehen, festklammern an irgendetwas was aus der Realität zuwinkt, irgendetwas an dem man sich halten kann, was einen ziehen kann, locken kann, helfen kann. Nicht! Nichts greifbares, der Körper nicht zu erreichen, nicht zu bewegen, weg.

Aufstehen, wir müssen aufstehen, den Tag beginnen, Kind versorgen, einkaufen, Wohnung aufräumen, all solche Dinge.

Zeit ist weit entfernt, nicht greifbar aus dieser weit entfernten Nebelwelt, schwammig, genau wie alles andere. Sie verrinnt wie Sand zwischen den Fingern, verschwindet kaum spürbar im Nichts, gleitet dahin mit einem leisen, unverständlichen ticken.

Nachdem das dann irgendwann überwunden war, keiner weiß wie lang der Kampf gedauert hat, der Blick aufs Handy der nichts gutes erkennen ließ. Anrufe verpasst, ungelesene Emails, ungeöffnete SMS. WUMMMM!!! Wieder im Nebel versunken, wieder durch den klebrigen Morast kämpfen, die Realität zurückerobern. Ein kurzer Blick aus dem Fenster ließ erkennen, wir werden bereits erwartet. Gestern hätten wir dort sein sollen aber wir waren hier. In unseren vier Wänden, in unserem sicheren Schloss, auf unserem Rettungsankern, in unserem Verlies.

Nach kurzem abchecken, was am Tag nun so ansteht, was erledigt werden muss, ob irgendwelche Termine oder Verabredungen anstehen und vor allem, welcher Tag überhaupt ist, entschied man sich dafür so zu tun als hätte man nichts bemerkt. Keine Email gesehen, keine SMS auf dem Handy gehabt, kein Auto vor der Türe, keine Anrufe. Wir rufen jemanden an, wollen da bleiben, Realität halten, in der Wohnung bleiben, nicht reagieren. Jemand nimmt ab, Verwirrung, eine Männerstimme. Damit hat man nicht gerechnet aber irgendwie dringt auch noch die Information durch, dass das der Mann von der Person ist, die man anrufen wollte. Ein kurzes stottern in den Hörer und dann wurden wir auch schon weitergereicht. Verstanden wurden wir nicht aber immerhin wurde verstanden, wen wir sprechen wollten. Und dann die Stimme der Person gehört. Das hat alles gut gemacht, befreit, erleichtert, nicht mehr allein, reden können. Das stottern war weg, die Angst soweit im Griff das wir ganz normal reden konnten. Einfach reden über irgendwas, Ablenkung, Leben.

Und dann, trotz soviel Angst davor die Frage, ob wir zu ihr fahren dürfen, ob sie ein kleines bisschen Zeit hat. Wir durften…

Und dann ging es. Man konnte wieder agieren, konnte wieder ein bisschen denken (nicht allzu viel, aber besser als nichts 😉 )

Ab unter die Dusche, kurzes umorganisieren des Tages, Kind geschnappt, einkaufen und hinfahren dürfen. Wieder war es einfach schön. Wir können es noch nicht ganz verstehen. Es ist seltsam schön, ungewohntes Leben, fremdes, interessantes Leben. Wir nehmen es wahr, diesen Umgang untereinander in einer normalen Familie, in einer Familie in der man sich liebt und liebevoll miteinander umgeht. Seltsames Gefüge, verwirrende Zustände und gut. Es tut uns gut zu sehen, wie Familie auch sein kann. Es tut uns gut zu sehen, dass es Familien gibt die wirklich Familien sind. Wir wissen damit nicht so recht umzugehen, es verunsichert uns und verwirrt uns. Wir schwirren irgendwo dazwischen rum, voller Neugier und saugen alles auf. Wie ein ausgetrockneter Schwamm der ein paar Tropfen Wasser bekommt.

Wirklich seltsam und wir dürfen es erleben, leben, teilhaben, dabei sein. Verwirrend!

Auch da ging dann die Zeit etwas verloren und wir sind nicht pünktlich wieder weg gekommen. Also musste der Plan ein kleines bisschen umgeschmissen werden und wir mussten unseren Sohn direkt von dort dann wegbringen zu seiner Abendbetreuung.

Schwierig wurde es dann, weil man nicht mehr wusste, wie man dorthin kommt, wo man hin musste. Die Adresse nicht mehr bekannt war und man eigentlich gar keinen Plan hatte wie man von A nach B kommt.

Mit einem Anruf und dem Handy sei Dank, Navigationssystem, hat man es dann doch noch gefunden… auch schon wieder peinlich, echt!

Dann schnell nach Hause, sollte ja ins Kino gehen und so langsam sollte die Partnerin auch von der Arbeit zurück sein. Noch schnell ein bisschen was im Haushalt getan, Einkauf ausgeräumt und gewartet. Nachdem dann der Film bereits begonnen hatte, kam der Anruf. Die Partnerin steckte auf der Autobahnraststätte und hatte den Deckel fürs Öl vom Auto verloren und ihn auch nicht wiederfinden können. Also ging es auf zur Raststätte, Deckel suchen, Partnerin beruhigen, weiter suchen, Motorraum durchwühlen. Ach ja, vielleicht sollte man noch erwähnen das es saumäßig kalt war und wir nur in einem Top dort standen. Schließlich waren wir eigentlich dafür gekleidet auszugehen und hatten eine weisse Bluse an, die wir uns ungern mit Öl oder sonstigem Motorendreck versauen wollten. Nachdem auch wir den Öldeckel, der wahrscheinlich immer noch im Motorraum liegt, nicht finden konnten (schon blöd das die Arme zu kurz sind und da auch nur ein Gelenk zum knicken ist), suchten wir also eine andere Verschlussmöglichkeit. Ein bisschen Improvisation und die erstmal perfekte Lösung war gefunden. Danach ging es dann erstmal wieder nach Hause. Kino hatte sich inzwischen erledigt. Nun stellte sich also nur noch die Frage, ob man es nun einfach lässt, den Sohn abholt und Daheim bleibt oder ob man den Plan umschmeißt, schaut ob der Sohn noch etwas länger untergebracht werden kann und irgendwas anderes nettes macht. Wir entschieden uns für letztere Variante, schließlich haben wir nur seltenst die Möglichkeit einen Abend zu zweit zu verbringen und ja, das letzte Mal ist schon so lang her, dass wir es nur gaaanz dunkel erinnern.

Wir sind dann gemeinsam Essen gegangen. Man hatte sich für ein Restaurant entschieden, in das man schon seit längerem mal gehen wollte und die Freude war groß als wir feststellen, dass dort noch ein Tisch frei war.

Vielleicht noch erwähnenswert. Als wir auf dem Parkplatz ankamen, stellen wir fest, dass unsere Hose an der Sitzfläche sehr nass war. Der Partnerin ist eine Flasche Wasser ausgekippt im Stress auf der Suche nach dem Öldeckel. Hatte sie leider vergessen zu sagen. Dementsprechend sah es aus als hätten wir in die Hose gemacht. Nicht unbedingt der äußerliche Zustand in dem man sich gern in der Öffentlichkeit zeigt und auch nicht unbedingt der in dem man gern in ein Restaurant geht. Egal! Wir haben uns vorgenommen einen schönen Abend zu haben, also haben wir das auch!  Nach kurzem überlegen  haben wir dann den Mantel der Partnerin angezogen, etwa zwei Nummern zu groß und auch nicht unbedingt Restauranttauglich aber auch das war uns inzwischen egal. Also rein ins Restaurant und irgendwie war es ganz anders als wir es erwartet hatten. Ungemütlich, zu laute Musik, zu lautes Publikum und überhaupt, wohlgefühlt haben wir uns nicht.

Kurzer Blickaustausch mit der Partnerin ließ erkennen, dass ihr das selbe durch den Kopf ging und ein kurzes Lächeln bestätigte es. Nein, wir lassen uns den Abend nicht kaputt machen, wollen doch einfach nur mal wieder einen schönen Abend zusammen haben. Mehr will doch niemand.

Das Essen war nicht gut und dafür wiederum zu teuer, unterhalten konnte man sich nicht, es sei denn man schrie sich an. Alles in Allem ein nicht gelungener Abend. Danach haben wir es dann auch einfach gelassen. Unsere Partnerin ist nach Hause und müde ins Bett gefallen und wir haben unseren Zwerg abgeholt und dann auch ins Bett befördert. Fand er zwar doof, wollt doch gern noch länger wach bleiben (man betone, er war bereits zwei Stunden länger wach, als er eigentlich am Wochenende darf) und versuchte noch den ein oder anderen Trick uns doch noch überreden zu können. Aber nee, falscher Zeitpunkt.

Und zwischendurch setzten uns üble Unterleibschmerzen immer mal wieder ausser Gefecht. Aber auch davon haben wir uns nicht unterkriegen lassen. Wir wollten wirklich einen schönen Abend haben auch wenn es uns irgendwie nicht gegönnt war.

Und dennoch, der Abend war schön. Wir haben Zeit mit unserer Partnerin verbracht, haben gemeinsam über all die dämlichen Sachen lachen können und haben uns die Laune nicht wirklich verderben lassen auch wenn es anders sicherlich schöner gewesen wäre. Egal! Es war gut! Es war gut mal wieder raus zu kommen, nicht nur mit unserem ständigen Kampf beschäftigt zu sein, andere Gedanken haben zu dürfen.

Erinnerungen an den Bruder

Hier folgen ein paar kleine Erinnerungen die evtl. triggern könnten. Also, wie immer: passt auf euch auf!

 

Ein Tag mit vielen Erinnerungen.

Erinnerungen an die Zeit früher, als wir noch bei der Mutter lebten, als wir noch klein waren, als wir noch eine Familie hatten.

Erinnerungen an die Zeiten mit unserem Bruder.

Keine ganzen Erinnerungen, nur Ausschnitte, ohne Zusammenhänge, ohne Wissen, einfach nur Ausschnitte, Videofetzen mehr nicht.

Nicht nur negative Erinnerungen tauchen auf.

Er hat immer wieder für uns gekämpft, dafür das wir irgendwelche Rechte bekamen.

Als wir noch klein waren, irgendwann in den Jahren bevor wir in die Schule kamen, durften wir nicht mit all den anderen gemeinsam am Tisch essen. Wir waren es nicht wert mit dazu zu gehören. Warum war völlig unklar, wir waren einfach nicht gut genug. Damals lebten wir mit einer anderen Familie zusammen, alle durften am Tisch sitzen. Acht Leute am Tisch und wir mit unserem Essen auf der Toilette. Dort war unser Essensplatz. Der Platz, der uns zustand. Jeden Tag wieder hat unser Bruder die Mutter angebettelt uns doch bei ihnen essen zu lassen, er hat es nicht ertragen können, das wir immer rausgeschickt wurden. Jeden Tag wieder hat er es versucht, jeden Tag wieder sich eine schallende Ohrfeige dafür eingefangen. Manchmal auch zwei, wenn er dann nochmal gefragt hat.

Mutter schlägt auf uns ein, mit Fäusten, mit Tritten, wir liegen am Boden, die Arme schützend vorm Gesicht, die Beine angezogen, wie ein Embrio. Wimmere vor mich hin, flehe sie an aufzuhören, mich nicht tot zu schlagen. Dann der Bruder, er zerrt an ihr. Schreit, sie soll aufhören, soll lieber ihn verprügeln, wenn sie nicht weiß wohin. Das alles während sie auf mich einschlägt. Er gibt nicht auf, reißt weiter an ihr rum, bis sie sich irgendwann umdreht, von mir ablässt und ihn verprügelt. Nachdem sie fertig war, für den Bruder hatte sie nicht mehr soviel Kraft übrig, kam er und hat mich getröstet und mir geholfen.

Wir sind angeln in Schweden. Mein Bruder, mein Opa und ich. Das haben wir häufig gemacht, stundenlang immer wieder die Angeln ins Wasser geschmissen und uns über jeden Fang gefreut. Hatten wir nen Fisch gefangen war man stolz auf uns, hat uns gelobt und zuhause den Fisch vorgezeigt. Einmal hab ich nen Hecht geangelt der war nen Meter zwanzig groß. War ziemlich genial, davon wurd sogar n Foto geknipst. Da war selbst der Bruder voll stolz auf mich, obwohl der mich sonst immer voll aufgezogen hat. So von wegen Mädel beim Angeln, das kann ja nichs werden. Oder, zieht die Köpfe ein Leute, die … wirft die Angel aus. Tja, ich habs ihm gezeigt und ich hab immer mehr gefangen als er und meist auch größere Fische.

Nach einer schlimmen Nacht dürfen wir endlich ins Bett, Skatabend ist vorbei, wir dürfen schlafen gehen. Gehen in unser Zimmer, dort warten wir bis die Mutter im Bett ist, schieben dann die Zwischentür zum Zimmer unseres Bruders auf, eine schwere Holztür, sie quitscht und knarrt etwas und man muss sehr vorsichtig sein, ein kleiner Spalt reicht, durch den quetschen wir uns durch und rutschen zu unserem Bruder ins Bett. Wir wollen jetzt nicht allein sein mit all dem Schmerz und all dem allein sein und all der Verzweiflung. Er dreht sich um, nimmt uns in den Arm, deckt uns zu. Beide sind wir nackt, angezogen durften wir nicht schlafen. Er hat eine Erektion, hat vielleicht schon auf uns gewartet, steckt ihn in uns rein und bewegt sich bis er kommt. Wir liegen einfach da, er erwartet nicht das wir mitmachen, es reicht ihm, wenn wir da liegen. Danach nimmt er uns in den Arm, streichelt uns und schläft mit uns im Arm ein. Er beruhigt uns, ist lieb.

Ich bin beim Handball, ein wichtiges Spiel, es geht um den Aufstieg in die Oberliga. Alle sind da, die Mutter, der Bruder, die Großeltern, der Onkel. Alle erwarten ein perfektes Spiel, sie erwarten das mein Name im Zeitungsbericht erwähnt wird, dass ein Foto von mir in der Zeitung zu sehen sein wird. Dafür muss ich gut spielen, nicht nur gut sondern sehr gut und eigentlich noch besser. Ich muss auffallen, als die Beste auf dem Spielfeld. Mir ist klar, dass ich niemanden enttäuschen darf, niemanden enttäuschen möchte, es soll sich niemand für mich schämen müssen! Mein Spiel wurde perfekt, wie so oft habe ich nach dem Spiel wieder Angebote anderer Mannschaften bekommen, wie so oft wollte die Zeitung mit mir sprechen, wie so oft, stand mein Name hinterher in der Zeitung, wie so oft, daneben ein Foto meiner Person. Meine Mutter war unzufrieden, hatte immer noch was zu meckern, meine Oma stimmte in ihre Kritik vollkommen ein, der Opa sagte wie immer nichts. Der Bruder aber, er kam mir entgegen gerannt: “ Geniales Spiel Schwesterherz! Echt geil gespielt. Da kannste mal wieder richtig stolz auf dich sein, Alte!“

Das sind nur ein paar kleine Erinnerungen des heutigen Tages…

und der Bruder fehlt, die Sehnsucht ist so groß, die Schuld wächst von Sekunde zu Sekunde…

… wir habens nicht anders gewollt…

Heute wird es besser! Versprochen!

Gestern Abend hat es uns noch ganz übel erwischt sozusagen. Bisher wurde immer ein großer Bogen um Trommeln gemacht. Ohne zu wissen warum, sie waren uns einfach schon immer suspekt.

Eine unserer kleinen hat dann gestern Trommeln entdeckt und gemeinsam mit jemand anderem ein bisschen getrommelt. Und dann auf einmal schlug es total um und wir waren ziemlich angetickt.

Schnell ins Bad verschwunden und mit kaltem Wasser versucht wieder etwas zu sich zu kommen um dann wenigstens ins Auto und nach Hause kommen zu können. Es hat auch ganz gut funktioniert und wir sind dann ins Auto um zu fahren. Nach einigen Metern, also gerade vom Hof gefahren, haben wir dann gerade noch gemerkt, dass es uns weghaut. Irgendwie wurde es dann noch geschafft das Auto an die Seite zu fahren und den Motor auszustellen. Kaum war das erledigt, hingen wir auch schon voll in Flashs fest. Der Zugang nach Aussen brach komplett ein und draußen wurde geschrien, geweint und um sich geschlagen. Wie gut das Autoscheiben doch ein bisschen was aushalten und nicht sofort zerbrechen…

Nach ungefähr einer halben Stunde haben wir es dann endlich geschafft die Kleine rein zu holen und konnten dann, nach ein paar Minuten, wieder weiterfahren. Nach etwa 500 gefahrenen Metern ging das ganze dann wieder von vorne los. Eine erneute halbe Stunde später hatte sich die Situation dann aber glücklicherweise wieder geregelt und wir konnten endlich nach Hause fahren.

Dort angekommen ging dann auch gar nicht mehr viel, wir waren vollkommen fertig und alles tat uns weh. Also nur noch in die Arme der Partnerin einekuschelt und vergessen was passiert ist, einfach vergessen, wieder weg machen, RUHE!

Aber auch davon haben wir nicht mehr viel mitbekommen. Keiner hat es geschafft sich länger vorne zu halten und wir wechselten ununterbrochen durch, waren völlig aufgekratzt und haben unsere Partnerin schon ganz schön kirre gemacht. Bin aber froh das wir trotzdem bei ihr bleiben durften und sie uns nicht rausgeschickt hat. Eigentlich hätte sie schlafen müssen, war auch schon ziemlich müde.

Heut wird ein besserer Tag, das haben wir fest beschlossen. Hoffentlich hat der Tag das auch mitbekommen…

Wir haben uns einiges vorgenommen, mal sehen was davon tatsächlich klappt. Think positiv! Ja ja, klar wird heut alles gut und wir schaffen alles was die To-Do-Liste so hergibt.

Auf gehts!

Eure Welt ist nur der Deckmantel der die Realität schützt!

Es gibt immer wieder Zeiten, in denen es uns schwer fällt, an die normale, allen bekannte Welt zu glauben. Zu glauben, dass nicht das Leben, was wir als Parallelleben kennengelernt haben, das Leben innerhalb der RiGaG mit all ihren Ideologien, Zielen, Gesetzen, Regeln, das eigentliche Leben ist. Für viele hier, ist das Leben innerhalb der RiGaG mit allem was dazu gehört, das Leben, unser Leben, ihr Leben.

Deutlich weniger von uns haben Ankerpunkte in der normalen, allen bekannten Welt.

So kommt es uns gerade in schlimmen Krisen so vor, als wäre das Leben innerhalb der RiGaG die eigentliche Realität. Als wäre das Leben außerhalb, das was man gemeinhin als gut und moralisch korrekt einordnet, nur der Deckmantel, nur die Schutzhülle, die unsichtbar macht, was darunter verborgen liegt. Die Realität! Unsere Realität.

Die Realität in der wir lernten, dass Macht und Stärke uns weiterbringen.

Die Realität in der wir lernten, dass nur lebensfähig ist, wer Schmerz und Folter ohne mit der Wimper zu zucken erträgt.

Die Realität in der Schwäche mit dem Tod bestraft wird, Stärke jedoch Anerkennung bringt.

Die Realität in der Stärke eine ganz andere Bedeutung hat als in der Scheinwelt.

Die Realität in der alles aber auch alles eine Prüfung, ein Test, eine Gefahr ist.

Die Realität in der man jemand ist, wenn man anderen Menschen Schmerzen zufügt, sie gefügig macht, sie benutzt und erzieht.

Die Realität in der Freiheit nicht existiert und wenn dann nur als Trugbild innerhalb der RiGaG.

Die Realität in der wir lernten etwas Besonderes zu sein innerhalb der RiGaG, ein Nichts ausserhalb.

Die Realität in der wir lernten, das Sex der Befriedigung und Energiegewinnung dient.

Die Realität in der wir lernten, dass Liebe nicht existent ist, das Nähe Schmerz ist.

Die Realität in der es naiv und dumm ist, wenn man meint, man könnte anderen Vertrauen, sich anvertrauen.

Die Realität in der wir lernten, dass nur der ein Recht auf Leben hat, der es sich verdient hat, der sich bewiesen hat, der den Regeln, Gesetzen und Vorstellungen entspricht.

Die Realität ist, dass wir nicht ausblenden können zu wissen, dass diese Parallelwelt existiert. Das wir immer und immer wieder spüren mussten, welche Macht von ihr ausgeht.

Selbst an den Tagen, an denen wir es schaffen uns selbst zu schützen, nicht Teil dieser Parallelwelt zu sein, ist sie dennoch existent. Sind dennoch unsere Gedanken bei denen, die wir zurück lassen, ist dennoch die Sehnsucht so groß, die Schuld unbeschreiblich, die Angst vor Vergeltung/Bestrafung unermäßlich, der Ablauf der Szenarien in unserem Kopf.

Selbst an den Tagen, an denen wir es schaffen, werden wir unser eigenes Opfer, unser eigener Täter.

Selbst an den Tagen, an denen wir es schaffen, sind wir Gefangene unserer Parallelwelt.

Pass auf was du sagst!

Warum wir so vieles nicht sagen können…

Warum wir sagen, was andere hören möchten…

Warum wir nicht wir sind…

Wir sind so oft so eingeschränkt in dem was wir sagen können. Stellt man uns eine Frage, die als Antwort eine Entscheidung fordert und sei sie noch so klein, wird sie zu einer riesigen Herausforderung und wird, wenn irgendwie möglich, nicht beantwortet. Man fängt an rumzudrucksen, zu überlegen was der, der die Frage stellte, für eine Antwort hören möchte. Welche Antwort für ihn die richtige ist, was man am schlausten antworten sollte, man versucht hektisch eine Geste zu erhaschen, die darauf schließen lässt, stellt Gegenfragen, gibt umschweifende Antworten bei denen die Antwort aber offen bleibt. Auch eine gern angewendete Methode, wenn man nun gar nicht weiß, wie man das, was man gern antworten würde, sagen soll, ohne das es einem zum Verhängnis wird, driftet man ab, jemand anders darf muss sein Glück versuchen, vielleicht kriegt der es ja irgendwie hin eine unverbindliche Antwort zu finden, eine die nicht gefährlich ist, eine die erlaubt ist. Oder er schlägt unbemerkt ein anderes Thema ein, so dass die Frage in den Hintergrund gerät.

Du hast keine Bedürfnisse!

Du hast keine Wünsche!

Du hast keine Rechte!

Das sind früh gelernte Muster, früh einprogrammiertes Verhalten und trotz des Wissens gelingt es uns nicht sie zu durchbrechen.

Ständig hockt uns die Gefahr im Nacken, man könnte etwas falsches geantwortet haben, etwas was alles zerstört, alles wegnimmt. Etwas wofür man bestraft wird, etwas was verboten ist, ein Wunsch der einem nicht zusteht (somit eigentlich keiner).

Die Methoden mit denen uns beigebracht wurde, das jegliche Antwort die falsche ist oder das bestimmte Fragen ausschließlich mit eingeübten Aussagen beantwortet werden dürfen, waren mannigfaltig. Ich möchte versuchen Beispiele zu nennen.

Das Kind war über mehrere Tage eingesperrt in einer kleinen Kammer, in einem Abstellraum der gerade so groß war, dass es ausgestreckt darin liegen konnte. Es war verboten sich hinzulegen, bedurfte einer gesonderten Genehmigung, dementsprechend hockte es in der Kammer, ohne Licht, ohne Fenster, ohne Zeitgefühl. Abgeschieden vom Rest der Welt, allein und doch unter Beobachtung. Zu essen bekam es nichts, zu trinken auch nicht und es hätte sich nie gewagt darum zu bitten. Irgendwann, es war längst im Irgendwo-von-Nirgendwo, die erlösende Frage, ob es hunger hat oder etwas trinken möchte. Das Kind hatte hunger, war ausgetrocknet, hatte aufgeplatzte Lippen und Durst. Das hätte es nicht sagen dürfen, es hatte seine Lektion nicht gelernt. Erst wenn es keinen Hunger mehr verspürte, erst wenn das Bedürfnis zu trinken überwunden ist, kann das Kind aus der Kammer. Erst dann bekommt es etwas zu trinken und zu essen. Erst, wenn es verstanden hat, das ihm das nicht zusteht, das es ein Privileg ist Essen zu bekommen. Erst, wenn es seine Bedürfnisse nicht mehr wahrnimmt, erst wenn es verstanden hat, dass es nicht seine Entscheidung ist, dass es in der Macht des anderen liegt, ob es weiterleben darf oder nicht, erst dann hat es seine Lektion gelernt.

Kleineres Beispiel aus dem Alltag.

Wie geht es dir? Gut. Wie geht es dir? Gut. Wie geht es dir? Gut. Wie geht es dir? Gut. Wie geht es dir?

Wage dich ja nicht die falsche Antwort zu geben, es könnte eine Prüfung sein, alles könnte eine Prüfung sein. Fragt der Lehrer, antworte gut, er sagts sonst der Mami! Fragt ein Fremder, antworte gut, er könnte kein Fremder sein! Fragt jemand anders, antworte gut, du kannst dir nie sicher sein!

Antwortete das Kind ein etwas abgeschwächtes „geht so“, konnte es sich gewiss sein, das es früher oder später raus kam. „Irgendwie“ kam es immer raus. „Irgendwie“ ist nur halb richtig. Früh wurden Anteile der Psyche abgespalten, die ausschließlich Rapport erteilten, die jeden Fehltritt abspeicherten und bei nächster Gelegenheit, also bei der nächsten Befragung dieser Anteile, die in regelmäßigen Abständen ( jedesmal, hatte man sich außerhalb des bewachten Umfelds bewegt) stattfanden, mitteilten.

– Wie geht es dir? Gut!

Und, damit es nicht langweilig wird, noch ein Beispiel.

“ Du weißt, du musst bestraft werden aber ich überlasse dir die Wahl womit. Möchtest du lieber den Gürtel oder den Rohrstock (beliebig durch andere zur Verfügung stehende Dinge ersetzbar)?“ Das Kind überlegt kurz, schaut sich die Gegenstände an. Welches schmerzt mehr? Der Rohrstock ist hart und schmal, er reißt die Haut auf, er tut weh, sehr weh. Der Gürtel ist ein fester Ledergürtel mit Metallschnalle, wenn die einen trifft, nein, weiter will das Kind nicht denken. Es zeigt auf den Rohrstock, er geht schneller kaputt, ist nicht soooo schlimm wie die Metallschnalle vom Gürtel.

Und, welche eine Überraschung, es war die falsche Entscheidung, sie lag auch gar nicht bei ihr. Nun bekommt sie zuerst den Rohrstock und erst nachdem der kaputt ist, kommt der Gürtel mit seiner Metallschnalle. Sie hätte wissen müssen, dass sie etwas schlimmes getan hat, dass sie eine schlimme Bestrafung braucht. Sie hätte sich nicht für das Schlagwerkzeug entscheiden dürfen, welches den geringeren Schmerz hinterlässt.

Unabhängig von den gezielten Trainings-Stunden-Tagen, gab es da auch im Alltag prägende Dinge. Nur weil etwas im Kühlschrank war, hieß es noch lange nicht, dass wir es hätten nehmen dürfen. Auch andere Dinge durften nicht einfach angefasst oder genommen werden, nein, auch nicht ein Stift oder ein Papier. Es wurde nichts getan was nicht ausdrücklich erlaubt oder gefordert wurde. Das ist eine gute Grundlage um für sämtliche Bestrafungsaktionen einen Grund vorweisen zu können, denn es war nicht möglich diese Regeln zu befolgen. Zumal es da auch immer wieder Abweichungen, Erneuerungen, Ergänzungen gab, die man natürlich hätte wissen müssen 😉

Und im Heute verschimmelt das Essen im Kühlschrank. Hat ja keiner ausdrücklich gesagt, dass wir es essen dürfen. Die Kerze zünden wir auch lieber nicht an, wer weiß ob das in Ordnung geht. Ja, die Schokolade hätte ich gern gegessen aber ich wusst nicht ob es okay ist.
Möchtest du denn eine Stück?
– Ähm, ja weiß ich nicht, darf ich denn?
Weißt du womit ich mein Frühstücksbrötchen belegen darf? Bitte sag es mir, dann muss ich nicht erst eine halbe Stunde mit mir kämpfen, bis ich eine Hälfte belegt habe!

Immer wieder wird erwartet, dass wir Entscheidungen treffen, dass wir Antworten geben. Wir kennen unsere Antworten (auch wenn sie von Person zu Person unterschiedlich sind), werden sie aber nicht sagen, wirklich nicht! Ich weiß nicht ob es die Antwort ist, die du hören möchtest, die die für dich in Ordnung ist, die die deinen Vorstellungen entspricht! Es tut mir leid, ich kann dir nicht antworten!

Innerlich schreien wir dir die Antwort entgegen, sagen werden wir sie aber nicht, du „darfst“ entscheiden!

Wir sind nicht wer wir sind! Wir sind, wer du willst, dass wir es sind! Such es dir aus, es ist alles okay solange es für dich in Ordnung ist!

Wir haben keine Bedürfnisse!

Wir haben keine Wünsche!

Wir haben keine Rechte!

Sei stark du Schwächling!

In der Vergangenheit haben wir gelernt, dass es Stärke bedeutet, Schmerzen auszuhalten. Wir lernten das es schwach ist schmerzen zu haben, zu zeigen, auszusprechen.

Das gelernte wirkt. Allein das schreiben dieses Artikels sorgt für starke Unruhen, bedeutet schwäche, versagen. Dennoch möchten wir darüber schreiben.

Wir haben häufig oder auch eigentlich immer schmerzen unterschiedlichster Art. Nicht jeder von uns nimmt sie auf die selbe Art war, manche können sie kaum aushalten, manche spüren sie kaum, andere gar nicht. Manchmal sind sie so stark, dass es viele von uns gar nicht im Körper aushalten, nicht vorne sein können, das ist glücklicherweise nicht zu häufig.

Wir sind geschult worden darin stark zu sein, schmerzen zu haben, auszuhalten, nicht wahrzunehmen. Bis zum Schluss stehen zu bleiben, im Wettbewerb mit anderen Kindern, unter Schlägen, Folter und Erniedrigungen. Nur wer als letztes noch stand war stark, bekam Anerkennung, Lob, war etwas wert!

Noch heute empfinden wir eine Art stolz, wenn wir eine Zeit von schlimmen Schmerzen ohne Medis überstanden haben. Noch heute fühlen wir uns wie der letzte Dreck, wenn irgendwer es dann doch nicht mehr aushält und durch Tabletten oder sonstiges Abhilfe schafft. Noch heute fühlen wir uns stark, wenn wir uns mit Schmerzen quälen. Noch heute fühlen wir uns schwach, wenn wir versagt haben.

Schon oft haben wir gehört, es müsste so nicht sein, wir dürften Abhilfe schaffen, dürften es äußern. Doch es fühlt sich so falsch an und jedes mal, wenn wir es dann doch mal versuchen, nimmt die Katastrophe innen ihren Lauf. Nicht hilfreich, wenn wir uns gegenseitig an all die Verbote erinnern, an all die eingebrannten Sätze, an all die Strafen- die die Schwachen erhalten, an all die Ängste und wenn das dann noch nicht reicht, dann sorgt bestimmt eine der Innenpersonen dafür, dass die Schmerzen ins unermessliche steigen.

Schlussfolgerung:

Wir halten aus und klopfen uns morgen früh wieder auf die Schulter, weil wir ja ach so stark sind. Dafür verzichten wir dann auf den Schlaf, der mit viel Glück vielleicht zu ein wenig Entspannung führen könnte, zu ein wenig dringend benötigter Erholung. Macht ja nichts, Hauptsache wir bleiben stark!

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