Das sollte also der so lang ersehnte, schöne, freie Abend mit unserer Partnerin werden.
Nach Jahren, ja wirklich, wahrscheinlich so irgendwas zwischen drei und vier Jahren, haben wir endlich, endlich, ENDLICH mal wieder Zeit gehabt miteinander auszugehen.
Alles war wunderbar organisiert, unsere Partnerin hat sich frei genommen, sonst arbeitet sie sieben Tage in der Woche. Also heute endlich mal frei und jemanden zu dem wir unseren Sohn bringen konnten. Die besten Voraussetzungen für einen schönen Paarabend, Erwachsenenabend, Ausgehabend. Es ist schon etwas anderes, wenn sonst immer das Kind dabei ist, da ist man als Paar nicht da oder zumindest anders da. Da ist man Familie, nicht Paar. Die Beziehung verschiebt sich dann. Es sollte also mal wieder anders sein, nur Zeit für uns zwei.
Geplant hatten wir zuerst Kino und danach mal schauen, vielleicht etwas Essen gehen oder einen Cocktail trinken. Halt irgendwas schönes was man sonst nicht macht.
Wir haben uns wirklich riesig gefreut. Ablenkung, einen Abend aussteigen, einen Abend nicht nachdenken müssen, nicht vor irgendwas fliehen müssen, sich nicht verstecken oder verkriechen müssen, keine Pläne schmieden müssen, wie man es schafft Zuhause zu bleiben. Nichts davon, einfach einen ruhigen schönen Abend zu zweit!
Der Tag began anders als geplant. Wir hatten große Schwierigkeiten am Morgen überhaupt aufzustehen, überhaupt irgendwas zu realisieren, weggedriftet, abgedriftet, im Nebel versunken. Sämtliche Verbindungen in die Realität verloren.
Der innere Kampf began. Aufstehen, irgendwie durch den Nebel nach vorne kommen, Platz im Körper einnehmen, durch diese undurchlässige Masse drängen, quetschen, ziehen, festklammern an irgendetwas was aus der Realität zuwinkt, irgendetwas an dem man sich halten kann, was einen ziehen kann, locken kann, helfen kann. Nicht! Nichts greifbares, der Körper nicht zu erreichen, nicht zu bewegen, weg.
Aufstehen, wir müssen aufstehen, den Tag beginnen, Kind versorgen, einkaufen, Wohnung aufräumen, all solche Dinge.
Zeit ist weit entfernt, nicht greifbar aus dieser weit entfernten Nebelwelt, schwammig, genau wie alles andere. Sie verrinnt wie Sand zwischen den Fingern, verschwindet kaum spürbar im Nichts, gleitet dahin mit einem leisen, unverständlichen ticken.
Nachdem das dann irgendwann überwunden war, keiner weiß wie lang der Kampf gedauert hat, der Blick aufs Handy der nichts gutes erkennen ließ. Anrufe verpasst, ungelesene Emails, ungeöffnete SMS. WUMMMM!!! Wieder im Nebel versunken, wieder durch den klebrigen Morast kämpfen, die Realität zurückerobern. Ein kurzer Blick aus dem Fenster ließ erkennen, wir werden bereits erwartet. Gestern hätten wir dort sein sollen aber wir waren hier. In unseren vier Wänden, in unserem sicheren Schloss, auf unserem Rettungsankern, in unserem Verlies.
Nach kurzem abchecken, was am Tag nun so ansteht, was erledigt werden muss, ob irgendwelche Termine oder Verabredungen anstehen und vor allem, welcher Tag überhaupt ist, entschied man sich dafür so zu tun als hätte man nichts bemerkt. Keine Email gesehen, keine SMS auf dem Handy gehabt, kein Auto vor der Türe, keine Anrufe. Wir rufen jemanden an, wollen da bleiben, Realität halten, in der Wohnung bleiben, nicht reagieren. Jemand nimmt ab, Verwirrung, eine Männerstimme. Damit hat man nicht gerechnet aber irgendwie dringt auch noch die Information durch, dass das der Mann von der Person ist, die man anrufen wollte. Ein kurzes stottern in den Hörer und dann wurden wir auch schon weitergereicht. Verstanden wurden wir nicht aber immerhin wurde verstanden, wen wir sprechen wollten. Und dann die Stimme der Person gehört. Das hat alles gut gemacht, befreit, erleichtert, nicht mehr allein, reden können. Das stottern war weg, die Angst soweit im Griff das wir ganz normal reden konnten. Einfach reden über irgendwas, Ablenkung, Leben.
Und dann, trotz soviel Angst davor die Frage, ob wir zu ihr fahren dürfen, ob sie ein kleines bisschen Zeit hat. Wir durften…
Und dann ging es. Man konnte wieder agieren, konnte wieder ein bisschen denken (nicht allzu viel, aber besser als nichts 😉 )
Ab unter die Dusche, kurzes umorganisieren des Tages, Kind geschnappt, einkaufen und hinfahren dürfen. Wieder war es einfach schön. Wir können es noch nicht ganz verstehen. Es ist seltsam schön, ungewohntes Leben, fremdes, interessantes Leben. Wir nehmen es wahr, diesen Umgang untereinander in einer normalen Familie, in einer Familie in der man sich liebt und liebevoll miteinander umgeht. Seltsames Gefüge, verwirrende Zustände und gut. Es tut uns gut zu sehen, wie Familie auch sein kann. Es tut uns gut zu sehen, dass es Familien gibt die wirklich Familien sind. Wir wissen damit nicht so recht umzugehen, es verunsichert uns und verwirrt uns. Wir schwirren irgendwo dazwischen rum, voller Neugier und saugen alles auf. Wie ein ausgetrockneter Schwamm der ein paar Tropfen Wasser bekommt.
Wirklich seltsam und wir dürfen es erleben, leben, teilhaben, dabei sein. Verwirrend!
Auch da ging dann die Zeit etwas verloren und wir sind nicht pünktlich wieder weg gekommen. Also musste der Plan ein kleines bisschen umgeschmissen werden und wir mussten unseren Sohn direkt von dort dann wegbringen zu seiner Abendbetreuung.
Schwierig wurde es dann, weil man nicht mehr wusste, wie man dorthin kommt, wo man hin musste. Die Adresse nicht mehr bekannt war und man eigentlich gar keinen Plan hatte wie man von A nach B kommt.
Mit einem Anruf und dem Handy sei Dank, Navigationssystem, hat man es dann doch noch gefunden… auch schon wieder peinlich, echt!
Dann schnell nach Hause, sollte ja ins Kino gehen und so langsam sollte die Partnerin auch von der Arbeit zurück sein. Noch schnell ein bisschen was im Haushalt getan, Einkauf ausgeräumt und gewartet. Nachdem dann der Film bereits begonnen hatte, kam der Anruf. Die Partnerin steckte auf der Autobahnraststätte und hatte den Deckel fürs Öl vom Auto verloren und ihn auch nicht wiederfinden können. Also ging es auf zur Raststätte, Deckel suchen, Partnerin beruhigen, weiter suchen, Motorraum durchwühlen. Ach ja, vielleicht sollte man noch erwähnen das es saumäßig kalt war und wir nur in einem Top dort standen. Schließlich waren wir eigentlich dafür gekleidet auszugehen und hatten eine weisse Bluse an, die wir uns ungern mit Öl oder sonstigem Motorendreck versauen wollten. Nachdem auch wir den Öldeckel, der wahrscheinlich immer noch im Motorraum liegt, nicht finden konnten (schon blöd das die Arme zu kurz sind und da auch nur ein Gelenk zum knicken ist), suchten wir also eine andere Verschlussmöglichkeit. Ein bisschen Improvisation und die erstmal perfekte Lösung war gefunden. Danach ging es dann erstmal wieder nach Hause. Kino hatte sich inzwischen erledigt. Nun stellte sich also nur noch die Frage, ob man es nun einfach lässt, den Sohn abholt und Daheim bleibt oder ob man den Plan umschmeißt, schaut ob der Sohn noch etwas länger untergebracht werden kann und irgendwas anderes nettes macht. Wir entschieden uns für letztere Variante, schließlich haben wir nur seltenst die Möglichkeit einen Abend zu zweit zu verbringen und ja, das letzte Mal ist schon so lang her, dass wir es nur gaaanz dunkel erinnern.
Wir sind dann gemeinsam Essen gegangen. Man hatte sich für ein Restaurant entschieden, in das man schon seit längerem mal gehen wollte und die Freude war groß als wir feststellen, dass dort noch ein Tisch frei war.
Vielleicht noch erwähnenswert. Als wir auf dem Parkplatz ankamen, stellen wir fest, dass unsere Hose an der Sitzfläche sehr nass war. Der Partnerin ist eine Flasche Wasser ausgekippt im Stress auf der Suche nach dem Öldeckel. Hatte sie leider vergessen zu sagen. Dementsprechend sah es aus als hätten wir in die Hose gemacht. Nicht unbedingt der äußerliche Zustand in dem man sich gern in der Öffentlichkeit zeigt und auch nicht unbedingt der in dem man gern in ein Restaurant geht. Egal! Wir haben uns vorgenommen einen schönen Abend zu haben, also haben wir das auch! Nach kurzem überlegen haben wir dann den Mantel der Partnerin angezogen, etwa zwei Nummern zu groß und auch nicht unbedingt Restauranttauglich aber auch das war uns inzwischen egal. Also rein ins Restaurant und irgendwie war es ganz anders als wir es erwartet hatten. Ungemütlich, zu laute Musik, zu lautes Publikum und überhaupt, wohlgefühlt haben wir uns nicht.
Kurzer Blickaustausch mit der Partnerin ließ erkennen, dass ihr das selbe durch den Kopf ging und ein kurzes Lächeln bestätigte es. Nein, wir lassen uns den Abend nicht kaputt machen, wollen doch einfach nur mal wieder einen schönen Abend zusammen haben. Mehr will doch niemand.
Das Essen war nicht gut und dafür wiederum zu teuer, unterhalten konnte man sich nicht, es sei denn man schrie sich an. Alles in Allem ein nicht gelungener Abend. Danach haben wir es dann auch einfach gelassen. Unsere Partnerin ist nach Hause und müde ins Bett gefallen und wir haben unseren Zwerg abgeholt und dann auch ins Bett befördert. Fand er zwar doof, wollt doch gern noch länger wach bleiben (man betone, er war bereits zwei Stunden länger wach, als er eigentlich am Wochenende darf) und versuchte noch den ein oder anderen Trick uns doch noch überreden zu können. Aber nee, falscher Zeitpunkt.
Und zwischendurch setzten uns üble Unterleibschmerzen immer mal wieder ausser Gefecht. Aber auch davon haben wir uns nicht unterkriegen lassen. Wir wollten wirklich einen schönen Abend haben auch wenn es uns irgendwie nicht gegönnt war.
Und dennoch, der Abend war schön. Wir haben Zeit mit unserer Partnerin verbracht, haben gemeinsam über all die dämlichen Sachen lachen können und haben uns die Laune nicht wirklich verderben lassen auch wenn es anders sicherlich schöner gewesen wäre. Egal! Es war gut! Es war gut mal wieder raus zu kommen, nicht nur mit unserem ständigen Kampf beschäftigt zu sein, andere Gedanken haben zu dürfen.
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