Vor einiger Zeit fragte Sebastian (ein Partner einer Person mit DIS) wie er in Streitfällen mit seiner Partnerin umgehen soll oder wie er damit umgeht, dass es im System seiner Partnerin eine (oder auch mehrere) Unterpersönlichkeit (-en) gibt, die die Beziehung beenden möchte. (nachzulesen unter: Bist du „Viele“ oder tust du nur so?)
Ein Beziehungsleitfaden dazu gibt es leider nicht und wir werden auch keinen liefern können, noch möchten wir das. Es gibt kein System, welches einem anderen gleicht, kein immer richtig oder immer falsch.
Wir können aber von unseren eigenen Beziehungsideen schreiben, davon wie wir selbst Beziehung erleben, was uns wichtig ist und davon, dass all das jederzeit veränderbar und in Bewegung ist.
In einer Partnerschaft geht es auch immer um Kompromisse und darum eine gemeinsame Vorstellung von Beziehung zu entwickeln. Das bedeutet für uns, dass es wichtig ist über aufkommende Fragen zu sprechen, sich zu trauen Unsicherheiten und Befürchtungen anzusprechen und möglichst offen miteinander umzugehen. Was es nicht für uns bedeutet ist, dass der Partner alles wissen muss und es keine Geheimnisse geben darf. Wir empfinden es als wichtig, dass die gefundenen Strukturen und Vereinbarungen keine starren Vereinbarungen sein müssen, sondern immer wieder besprochen und angepasst werden dürfen.
Begegnet mir im System meines Partners eine Unterpersönlichkeit, die mich an ihrer Seite nicht akzeptiert, die kein Interesse an einer Beziehung hat, mich gar nicht liebt und die Beziehung vielleicht sogar beenden möchte, wäre meine erste Intension dahinter zu schauen und zu hinterfragen.
Warum möchte die Person sich trennen?
Sind es Ängste die dahinterstehen, so lässt sich vielleicht ein gemeinsamer Weg finden, diese Ängste abzubauen oder einen Umgang damit zu finden.
Will die Person sich nicht binden oder fühlt sich mit dem Partner nicht wohl, kann auch dafür eine Lösung gefunden werden. Das könnte bedeuten, dass sich diese Person zwar mit der Beziehung arrangiert, dennoch die Freiheit hat sich aus der Beziehung raus zu nehmen.
Egal was es ist, nur wenn darüber gesprochen wird, ist es möglich einen Umgang damit zu finden.
Wir hatten lange Zeit den Wunsch nach Normalität und wollten eine Beziehung wie sie sich „gehört“. Wir wollten unserer Partnerin treu sein, sie nicht hintergehen oder verletzen und dennoch, obwohl dieser Wunsch enorm stark war, ist es uns nicht gelungen und innerhalb der vergangenen Jahre hat sich unser Beziehungsmodell immer mehr anpassen müssen um bestehen zu können.
Wir ( wir als System aber auch unsere Partnerin) mussten lernen, dass nicht alle von uns bereit sind diese Beziehung zu führen.
Dass dahinter oft nicht die Intension ist, uns anderen die Beziehung zu zerstören oder zu nehmen, sondern viel mehr der Wunsch, nach eigenen Bedürfnissen leben zu dürfen oder auch uns als System vor Verletzungen und Enttäuschungen zu schützen.
Wir mussten und müssen immer noch lernen zu akzeptieren, dass es hier Unterpersönlichkeiten gibt, denen unsere Beziehung nichts bedeutet, die unserer Partnerin gegenüber abgeneigt, ablehnend, aggressiv und distanziert sind und unsere Partnerin musste lernen sich davon abzugrenzen und/oder mit entsprechenden Personen Vereinbarungen zu treffen, wie man dennoch miteinander respektvoll umgehen kann.
Für uns heißt es, ein gemeinsames Beziehungsmodell zu finden, dass sowohl für uns, als auch für unsere Partnerin passend ist. Es bedeutet loslassen von starren Beziehungsvorstellungen, loslassen von der Vorstellung eine Beziehung führen zu können, als wären wir eine Person und zu verstehen, dass unterschiedliche Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse bestehen und das es nicht immer möglich ist einen gemeinsamen Nenner zu finden. Aber auch dann ist es möglich einen gemeinsamen Umgang zu finden aber das erfordert die Bereitschaft von allen Beteiligten einen guten Umgang miteinander führen zu wollen und es heißt nicht automatisch, dass das immer gelingt.
Was wir verstanden haben ist, dass wir wahrscheinlich niemals eine, von der Gesellschaft als normal deklarierte, Beziehung führen werden. Es bedeutet aber nicht, dass Beziehung nicht möglich ist. Es bedeutet vielleicht etwas mehr Gespräche, etwas mehr Verständnis füreinander aufbringen, gemeinsame Lösungssuche und Akzeptanz.
Wie geht man im Streit miteinander um.
Würd ich ein Lehrbuch schreiben, würde ich vermutlich schreiben, man solle darauf achten den Streit mit der Persönlichkeit zu klären, mit der das Problem besteht und möglichst ruhig und sachlich bleiben.
In der Realität ist das sicherlich nicht so einfach umsetzbar. Zum einen ist für den Partner nicht immer unbedingt klar, mit wem er es gerade zu tun hat (kann ja innerhalb weniger Sekunden wechseln, hintergründig wechseln usw) und zum anderen kann die Person auch während des Streits verschwinden und eine andere an ihre Stelle treten (vielleicht auch unbemerkt vom Partner). Schwierig wird es, wenn die Unterpersönlichkeit die den Körper übernommen hat, nicht weiß warum oder worüber gestritten wird, wenn sie nicht einsortieren kann warum der Partner gerade so abweisend, wütend, verzweifelt (was auch immer) ist. Vielleicht hat die nun aktive Unterpersönlichkeit gar keinen Bezug zu dem Thema, nur ein Teilwissen, streitet ab (weil sie keinerlei Erinnerung hat).
Also grundsätzlich kein einfaches Thema, denn Streit bedeutet für viele Systeme große Gefahr und je nach dem wie die Streitkultur ist, kann es auch schnell zu triggernden oder retraumatisierenden Erfahrungen kommen, ohne das es von der beteiligten Person gewollt ist.
Es ist sicher als Partner nicht leicht, wenn die Person mit der man gerade diskutiert oder streitet, einfach verschwindet und die Person die dann zum Vorschein kommt, in einer ganz anderen Verfassung ist und einen anderen oder auch keinen Bezug hat. Es ist nicht einfach dann erstmal eine Streitpause einzulegen und darum zu bitten mit der Person sprechen zu können, mit der das Problem besteht. Wenn es gelingt das zu trennen, heißt es noch nicht, dass auch die Möglichkeit besteht, betreffende Person erneut zu sprechen. Vielleicht funktioniert es gleich, vielleicht auch erst Stunden, Tage oder Wochen später. Vielleicht ist es aber auch gar nicht möglich den Streit mit der Person zu klären mit der man ihn hat. Dann wäre es sicher hilfreich mit Personen aus dem System zu sprechen, die einen Bezug dazu haben, soviel Hintergrundwissen haben, dass es möglich ist eine Klärung zu erreichen… manche Themen liegen vielleicht auch lange auf Eis und warten dort auf Klärung oder auch nicht…
In der Realität ist die Trennung gar nicht einfach umzusetzen, denn gerade in Streitsituationen ist man häufig emotional, gerät evtl. in Rage und möchte seinen Frust loswerden. Häufig entsteht auch ein Gefühl von: das muss geklärt werden und kann nicht ruhen. Manchmal entsteht eine zusätzliche Wut des Partners, weil die Person mit der man gerade streitet einfach verschwindet und man mit seiner Problematik allein zurückgelassen wird, ohne die Möglichkeit der Kärung.
Unsere Empfehlung (und man bedenke dabei das wir keinerlei gesunde Erfahrung in der Streitkultur haben und selbst hart daran arbeiten müssen, Streit gut und überhaupt klären zu können) ist, möglichst ruhig und sachlich zu bleiben, bei sich zu bleiben und nicht in die Anklage zu gehen. Während dem Streit darauf zu achten, ob ein Wechsel stattfindet und zu überprüfen ob es möglich ist den Streit/das Gespräch weiter zu führen oder ob es mehr Sinn macht, etwas zu vertagen und erneut anzugehen.
Für uns ist es ganz wichtig zu lernen und zu verstehen, dass ein Streit nicht dazu führen muss, dass wir verlassen werden, dass wir bestraft oder erniedrigt werden und dennoch sind es diese Ängste, die in Streitmomenten dominieren und unser Verhalten (und somit auch Wechsel) beeinflussen. Es bedarf immer wieder einer Überprüfung der Situation und dem Bezug zur Realität, denn häufig finden Übertragungen von alten Erfahrungen auf die neue Situation statt und häufig auch, ohne das es einem bewusst ist.
Ansonsten gilt für eine Beziehung mit einer Multiplen das selbe wie für jede andere Beziehung.
Ein rücksichtsvoller und respektvoller Umgang und reden… rede… reden…
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